Europäisches
Kolleg
Jena

Das 20. Jahrhundert und seine Repräsentationen

Representing the 20th Century


Daniel Schuch

Daniel Schuch studierte von 2008 bis 2012 Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie an der Technischen Universität Dresden und schloss im Sommer 2015 sein Masterstudium Geschichte und Politik des 20. Jahrhunderts an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ab. Dort war er seit 2014 am Imre Kertész Kolleg und am Lehrstuhl für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit als wissenschaftliche Hilfskraft tätig. In seiner Masterarbeit analysierte er die geschichtspolitischen Deutungskämpfe um den Kosovo-Krieg anhand der Debatten in der Zeitschrift „konkret“.

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Forschungsprojekt

Transformationen der Zeugenschaft. Von der Wissensproduktion in David P. Boders Forschungsinterviews zur moralischen Sinngebung des Holocaust (Arbeitstitel)

Die Sammlung und Interpretation von Erfahrungsberichten der Opfer von Nationalsozialismus und Holocaust unterliegt einem umfassenden gesellschaftlichen Wandel seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Wie unterscheiden sich die Erzählungen in frühesten Audio-Aufnahmen von späteren Video-Interviews mit jenen Personen die heute als Holocaust-Überlebende oder Zeitzeugen klassifiziert werden? Und welchen Einfluss hatten die spezifischen Ziele und Methoden der Interviewer und beteiligten Institutionen auf die Aufnahmen?
Anhand einer vergleichenden Interview-Analyse beantwortet das Dissertationsprojekt diese Fragen im Rahmen einer Historisierung der Zeugenschaft des Holocaust. Für den ersten Teil der Arbeit bildet die Sammlung des amerikanischen Psychologen David P. Boder von etwa 130 Audio-Interviews mit sogenannten Displaced Persons (DP’s) aus dem Sommer 1946 in Europa den Ausgangspunkt. Eine Auswahl von Interviews mit fünf jüdischen Überlebenden wird analysiert und die Erzählungen der DP’s werden als frühe Zeugnisse des Massenmordes an den Juden Europas dargestellt. Als sozialwissenschaftlicher Pionier einer frühen Holocaust-Forschung avant la lettre bildet Boders psychologische Forschung über traumatische Folgen der „man-made catastrophe“ den Kontext.
Im zweiten Teil der Arbeit werden die Interviews von Boder aus dem Jahr 1946 exemplarisch und episodisch mit Video-Aufnahmen der selben Personen aus den Sammlungen der USC Shoah Foundation und eines Oral History Interview-Projektes des United States Holocaust Memorial Museums, die bis zu 60 Jahre später angefertigt worden sind, verglichen. Wie sich die Deutungen der Erfahrungen sowie die gesellschaftliche Bedeutung der Erzählungen im Kontext der Methoden und Ziele der unterschiedlichen Institutionen gewandelt haben, wird mit Erkenntnissen aus Oral History, Gesellschaftsgeschichte und historischer Quellenkritik untersucht. Das wiederholte Erzählen der Erfahrungen des Holocaust wird mit dem Konzept des „recounting“ analysiert, dass der amerikanische Psychologe Henry Greenspan im Gegensatz zum passiven „Zeugnis ablegen“ entwickelt hat. Als bedeutender Wandel lassen sich veränderte Konzepte der Deutung und Sinngebung der Erfahrungen und der historischen Ereignisse, sowie ein etablierter Anspruch der Institutionen auf die Vermittlung von moralischen „Lehren“ des Holocaust konstatieren.

Forschungsinteressen

Holocaust-Studies und NS-Forschung

Geschichtskulturen in den USA, Australien, Deutschland und Israel

audio-visuelle Geschichtsdarstellungen

Displaced Persons

Zeugenschaft und Wissensproduktion

ausgewählte Publikationen

Konflikthafte Zeugenschaft. David P. Boders Audio-Interviews im Nachkriegseuropa, in: Mimeo. Blog der Doktorandinnen und Doktoranden am Dubnow Institut, 22.07.20.

(mit Dorothea Warneck/ Tobias Haberkorn/ Saskia Pörtig/ Paul Schütrumpf) (Post-) jugoslawische Geschichtskultur: Ein Blick durch das Schlüsselloch, in: Lehrstuhl für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit